Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Bern
Psychische Erkrankungen treten häufig erstmals im Jugendalter auf, können wichtige Entwicklungsschritte dieser Lebensphase behindern und zu langanhaltender psychosozialer Beeinträchtigung führen. Eine früher Erkennung und Behandlung sind entscheidend, um negativen Langzeitfolgen zu verhindern. In den letzten Jahren ist weltweit und auch in der Schweiz ein Anstieg psychischer Probleme bei Jugendlichen zu beobachten, was vielerorts zu einer Überlastung der Gesundheitssysteme führt. Dies resultiert in langen Wartezeiten auf eine Behandlung, wodurch das Risiko von Zustandsverschlechterungen, Selbstgefährdung und Therapieabbrüchen steigt. Digitale Interventionen könnten helfen, diese Versorgungslücke zu schliessen.
Das Projekt zielt auf die Entwicklung und Pilotierung einer personalisierten, Smartphone-basierten, transdiagnostischen Intervention für Jugendliche mit psychischen Problemen, die auf einen Therapieplatz warten. Diese soll im Rahmen eines gestuften Versorgungsmodells erste Unterstützung bieten, ohne die Präsenztherapie zu ersetzen. Über eine App erhalten die Jugendlichen rund um die Uhr Zugang zu einem Notfallplan und psychoedukativen Informationen sowie 2x täglich personalisierte therapeutische Übungen. Diese Übungen setzen an transdiagnostischen Mechanismen wie emotionale Dysregulation und Selbstwertprobleme an, die vielen psychischen Erkrankungen zugrunde liegen. Ein Algorithmus optimiert Zeitpunkt, Häufigkeit und Art der Intervention basierend auf individueller Nutzung und Bewertung der Übungen. Die Entwicklung erfolgt in Zusammenarbeit zwischen Forschenden, klinischen Fachpersonen, Software-Entwickler*innen und betroffenen Jugendlichen. In einer randomisiert-kontrollierten Pilotstudie wird die Machbarkeit, Akzeptanz, Sicherheit und erste Wirksamkeit der App bei 70 Jugendlichen (12–17 Jahre) getestet, die auf der Warteliste der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Bern stehen.
Dieses Projekt schliesst eine Versorgungslücke, indem es skalierbare und zeitnahe Unterstützung für Jugendliche in einer psychischen Krise bietet. Darüber hinaus schafft die Pilotstudie die Grundlage für eine wissenschaftliche Evaluation der Intervention im Rahmen einer multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studie. Bei positiver Evaluation soll die Intervention langfristig frei zugänglich gemacht und breit klinisch implementiert werden, um die Versorgungssituation Jugendlicher mit psychischen Erkrankungen in der Schweiz nachhaltig zu verbessern.